Mittwoch, 8. Juni bis Freitag, 10. Juni 2016
Das ist unser erstes Projekt. Jens hat einen Kayak-Verleiher im Internet gefunden und mit ihm per email grob abgeklärt, was wir machen möchten. Mein Navi führt uns punktgenau hin, Hausnummer 2035 auf dem Sterling Highway. Übrigens spricht das Navi zwar immer noch deutsch mit uns, aber wir haben es dazu gebracht, alle Entfernungen in Miles anzugeben – man kommt dann einfach besser mit den Informationen vor Ort klar.
Sterling Highway ist die einzig nennenswerte Straße durch den Ort Sterling, der aus einer Reihe von Shops und Restaurants, einer Tankstelle und unserem Kanu-Verleih besteht, alles verstreut über eine Strecke von mehreren Kilometern. Ein Zentrum ist nicht auszumachen, alles kann nur mit dem Auto erreicht werden.
Der Kanu-Verleih ist ein ganzes Biotop und Max ein Multi-Talent, der Autos repariert, Angel- und Paddel-Touren anbietet, Zimmer vermietet, einen Campingplatz betreibt, ach ja, und einen Job hat er auch noch, auf der anderen Seite der Halbinsel bei den Ölfeldern. Er empfiehlt einen Kanadier, aber nach kurzer Diskussion unserer Pläne steigt er um auf zwei Einer-Kayaks. Sie sind ganz kurz und relativ breit, extrem wendig, ein Paddelschlag genügt. Sie paddeln sich herrlich. Viel Stauraum haben sie nicht, aber wir wollen ja nur Tagestouren machen. Im Prinzip kann man sie leer alleine tragen, sogar ich, was wichtig ist, weil einige Seen nur über teilweise sehr lange und hügelige Portagen erreichbar sind. Kanuwagen sind aus nicht ersichtlichen Gründen im Nationalpark verboten. Und was auch noch super ist: Wir können beide Kayaks einfach nebeneinander auf die Liegefläche in unseren Campervan legen!
Dann kriegen wir noch Bärenspray – obwohl die Bären hier garantiert viel zu klug sind, um uns anzugreifen. Sie werden bejagt und sind froh, wenn sie keine Menschen treffen. Das Bärenspray ist allerdings hervorragend geeignet, männliche Exemplare von Homo sapiens in die Schranken zu weisen – it´s most important application laut Max!
Und ich erwerbe eine Angel-Lizenz und leihe mir eine Angel zum Forellen fischen aus. Sowie eine kleine Schachtel mit ein bisschen Blei, einem funktionierenden und drei kaputten Blinkern, und ein bisschen Kleinkram, aber keinem zusätzlichen Vorfach. Aber im Rausch der Vorfreude achte ich nicht auf solche Details. Max gibt noch ein paar Tips zum Einholen der Fische und Hinweise auf die zu erwartende Größe. Vow!
Wir kriegen noch einen Kaffee, und Max verspricht eine kostenlose Dusche, wenn wir zurückkommen. Und dann geht´s los. Direkt um die Ecke ist die Swanson River Road, eine sogenannte dirt road, das heißt unbefestigte Straße. Das Navi kennt auch diese Straße. Sie ist im Großen und Ganzen in sehr gutem Zustand. Wir fahren sie bis zum Ende, etwa 39 Meilen. Es begegnet uns niemand mehr auf dem Weg, man kann auch keine Blinker oder sonstiges mehr kaufen, hier ist schon Wildnis. Am Ende ist ein Parkplatz, an dem wir unser Auto abstellen. Und nun sind wir am äußersten, einsamsten Ende des Swanson River Canoe Trail.
Es ist eine Paddelstrecke durch einen Nationalpark mit hunderten von Seen. Einige sind durch „water portages“ verbunden, kleine, oft zugewachsene Bäche. Andere sind nur über Landportagen zu erreichen, die mehr als eine Meile lang sein können. Wenn man Glück hat, führen sie über relativ gut begehbare Waldwege, aber wenn man Pech hat, gehen sie mitten durch den Urwald über Stock und Stein. Die wichtigste Eigenschaft eines Kanus ist hier deshalb, daß es leicht sein soll. Man kann eine Strecke von 80 Meilen paddeln, und kommt in vier bis fünf Tagen bis zum Meer (Cook Inlet). Und die meisten Seen sind Paradiese für Angler.
Unser Plan ist, am ersten Tag nur auf dem Paddle Lake (heißt wirklich so) zu paddeln und die Portage zum nächsten See zu Fuß zu gehen, damit wir wissen, was auf uns zukommt. Am nächsten Tag dann bis zum Lonely Lake, über mehrere kleinere Seen, und wieder zurück. Und am dritten Tag wieder auf dem Paddle Lake bleiben, mit viel Zeit zum Angeln und Fotografieren. Abends müssen wir die Kayaks zurückgeben.