Expedition Sonne SO248

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Expedition SO248 – warum?

Das Mikrobiom des Meeres

Unsere Erde ist zu 70% von Meeren bedeckt. Wir lieben Korallenriffe, Wale, und Robben, wir essen Muscheln, Fische, Austern und Garnelen. Aber die wichtigsten Lebewesen im Meer sind die Bakterien. Von ihnen hängen alle anderen Organismen ab. Sie sind die Basis der Nahrungskette, denn sie wandeln Kohlendioxid durch Photosynthese in Zucker um. Davon leben alle anderen Organismen! Am Ende der Nahrungskette ist der Zucker dann kaum wiederzuerkennen – er ist durch viele Mägen gegangen und hat sich dabei in einen Wal verwandelt!

An Land machen hauptsächlich Pflanzen den Job der Photosynthese, im Meer die Cyanobakterien und einzellige Algen. Etwa die Hälfte der Photosynthese des gesamten Planeten stammt aus dem Meer, und davon wiederum etwa die Hälfte aus Bakterien.

Die zweite wichtige Aufgabe der Bakterien ist genau der umgekehrte Prozeß, die sogenannte Mineralisation. Sie verwandeln den Zucker (auch wenn er inzwischen Walform angenommen hat) wieder in Kohlendioxid. Ohne sie würden sich die toten Tiere und Pflanzen kilometerhoch auf der Erde stapeln. Kohlendioxid? Das ist doch das, was seit hundertfünfzig Jahren ständig ansteigt und die globale Erwärmung verursacht? Genau, das Treibhausgas CO2. Die Meere puffern seinen Anstieg durch die sogenannte „biologische Kohlenstoffpumpe“: CO2 wird aus der Atmosphäre aufgenommen und im Ozean durch Photosynthese in Biomasse umgewandelt. Ein kleiner Teil der Biomasse sinkt langsam bis zum Grund des Ozeans und bleibt dort liegen. Durch diesen biologischen Prozeß wird das Treibhausgas CO2 von der Atmosphäre auf den Grund des Ozeans gepumpt.

Die Bakterien treiben also die biologische Kohlenstoffpumpe an beiden Enden an – Synthese und Mineralisation. Was wenn diese Pumpe anfängt zu stottern? Was, wenn es plötzlich mit der Photosynthese nicht mehr so gut klappt, wegen Giften, Wärme, usw.? Was wenn die Bakterien schneller atmen, kaum noch Biomasse auf dem Meeresgrund ankommt, alles an der Oberfläche verpulvert wird? Beschleunigt sich dann der CO2-Anstieg exponentiell, und das System kippt?

Und deshalb müssen wir die Bakterien im Meer erforschen. „Mikrobiom“ bezeichnet die Gesamtheit aller Bakterienarten in einem bestimmten Ökosystem. Das marine Mikrobiom entscheidet über die Gesundheit des Planeten, ähnlich wie das Mikrobiom im Darm wichtig ist für die Gesundheit des Menschen.

Welche Fragen untersuchen wir?

Wir haben im Prinzip die gleichen Fragestellungen wie die Makroökologie (ungenauer Begriff für die Ökologie von „großen“ = „makro“ Organismen), nur daß wir unsichtbare Tiere und Pflanzen erforschen und daher ganz andere Methoden anwenden.

Und wir haben es mit riesigen Individuenzahlen zu tun: In einem Liter Meerwasser sind ungefähr eine Milliarde Bakterien. Außerdem haben wir es mit gewaltigen Artenzahlen zu tun: Mehrere hundert bis tausend Arten von Bakterien sind in einem Liter Meerwasser!

Die erste Frage ist also: Wer ist da, und wenn ja wie viele? Welche Arten von Bakterien haben wir in einem Liter Meerwasser, und wie viele von jeder Art?

Daran schließt sich die Frage: Wie stabil sind die Artengemeinschaften? Sind es überall im Bakterioplankton die gleichen Arten, oder haben wir ganz unterschiedliche Mikrobiome am Nord- und am Südpol, im Pazifik und im Atlantischen Ozean? Wie ändern sie sich im Laufe des Jahres und wie mit zunehmender Tiefe?

Und schließlich: Warum sind denn so viele verschiedene Arten von Bakterien in einem Liter Meerwasser? Eigentlich könnte man ja denken, daß eine einzige Art reicht, schließlich gibt es doch nicht dermaßen viele ökologische Nischen in diesem scheinbar völlig homogenen, klaren Wasser. Wie können dann hunderte von Arten gleichzeitig dort leben? Jedes Bakterium müßte auf eine bestimmte ökologische Nische spezialisiert sein, so ähnlich wie Darwins Finken auf den Galapagos-Inseln. Aber hunderte von ökologischen Nischen in einem Liter Meerwasser? Man nennt diese Frage das Plankton-Paradoxon. Es wurde zum ersten Mal von G.E. Hutchinson 1961 für Phytoplankton in Seen formuliert (G.E. Hutchinson: The paradox of the plankton. American Naturalist 1961, Vol. XCV, No. 882, p.137-145).

Um solche Fragen angehen zu können, muß man die Bakterien im Detail verstehen. Wovon leben sie? Wie schnell können sie wachsen? Was brauchen sie unbedingt, und was können sie nicht ertragen? Die meisten der marinen Bakterienarten wurden erst in den letzten 20 Jahren entdeckt, und ihre Untersuchung ist sehr schwierig, weil sie auf normalen mikrobiologischen Kulturmedien nicht wachsen. Sie brauchen extrem verdünnte Medien, wachsen langsam und sterben bei den geringsten Schwermetallverunreinigungen. Deshalb gibt es nur eine Handvoll von Wissenschaftlern weltweit, die sich mit diesen sensiblen Spezialisten im Labor beschäftigen. Und doch sind diese Bakterienarten die häufigsten lebenden Zellen der Erde. Über Jahrmillionen haben sie sich in riesigen globalen Populationen aneinander und an die nährstoffarmen Bedingungen im Ozean angepaßt.

Wie gehen wir vor?

Das ist eigentlich ganz einfach. Wir holen mit einem Probenschöpfer Wasser aus einer bestimmten Wassertiefe und pumpen es durch einen sogenannten Membranfilter. Die Poren des Filters sind so klein, daß die Bakterien auf dem Filter liegen bleiben. Und dann stellen wir sie kalt – der Filter wird bei -80°C gelagert. Milliardenfacher Mord jeden Tag. Später im Labor wird die Probe dann analysiert. Im Wesentlichen wird die DNA, also die Erbinformation, sequenziert. Meine Gruppe konzentriert sich auf das Epipelagial, d.h. die oberen 200 m der Wassersäule, das stark von der Photosynthese dominiert wird.

Wir und alle anderen Wissenschaftler an Bord nehmen noch eine Menge anderer Proben. Einige können direkt an Bord analysiert werden, z.B. Proben für Mikroskopie. Es werden auch physiologische Versuche gemacht, Bakterien und Viren isoliert, Enzymaktivitäten bestimmt und Mikrokosmen angesetzt (Test-Ökosysteme, in denen gezielt bestimmte Parameter variiert werden). An einigen Stationen werden Proben rund um die Uhr genommen. Eine Arbeitsgruppe konzentriert sich auf den tiefen Ozean bis 6000 m, und eine andere Gruppe untersucht das Sediment. Und schließlich haben wir Ozeanografen an Bord, die anhand der physikalischen und chemischen Parameter das Wasser den großen Provinzen im Ozean zuordnen können.

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