Kupferbergbau in Kennicott – Frühkapitalismus in Alaska

Keine Abraumhalde, sondern die Endmoräne des Gletschers, vor der Kennicott Mine

Keine Abraumhalde, sondern die Endmoräne des Gletschers, vor der Kennicott Mine

Mittwoch, 22. Juni 2016

Von unserem Campingplatz bis zur Kupfer-Mine im Herzen des Wrangell National Park waren es rund 80 Meilen, davon das letzte Drittel unbefestigte Straße mit Resten der Eisenbahngleise, Nägeln und sonstigem Schrott, der mit relativ hoher Wahrscheinlichkeit zum Platten führt. Unsere Autovermieterin hat uns quasi verboten, diese Straße zu fahren. Daher haben wir unseren Campervan stehen gelassen und einen Roundtrip gebucht.

Um 8 h wurden wir von der schnellsten Fahrerin im Wrangell National Park an unserem Campingplatz abgeholt. Wie der Teufel ist sie über die dirt road gefegt, heiser lachend. Nur zwei oder drei Mal haben wir sie zum Anhalten gebracht, um Schmetterlinge, Biberbauten, grandiose Flußlandschaft oder sonstigen Kram zu fotografieren. Punkt 11 h hat sie uns an der Brücke nach Kennicott abgeliefert, dort wurden wir in ein zweites Shuttle umgeladen und direkt zur Kupfermine gebracht. Und dort lief dann alles wie am Schnürchen weiter: Mittagspause, zwei Stunden Tour durch die Mine, Shuttle zur Brücke, und dann Rückfahrt mit unserem heiseren Straßenteufel. Auf dem Rückweg war es im Auto abwechselnd glühend heiß oder eiskalt (digitale Regelung der Klimaanlage) und unsere Fahrerin hat Resthemmungen abgelegt und war noch etwas schneller als auf dem Hinweg – Jens ist fast seekrank geworden!

Die Führung durch die Mine war ganz große Klasse! Unsere Führerin hat uns alles erzählt: Die Entdeckung des Kupfers um 1900, kurz nachdem Alaska für 5 Pence per Acre von den Russen gekauft worden war, der Bau von 196 Meilen Eisenbahnverbindung nach Cordoba innerhalb weniger Jahre, mit Schlittenhunden als einzig möglichem Transportvehikel. Mehrere Brücken über den Copper River mußten gebaut werden, und manche Brücken wurden jedes Jahr im Frühling neu gebaut. Das war einfacher, als sie so stabil zu machen, daß sie den Winter und die Schneeschmelze überstanden hätten. Dann wurde um die Förderanlage die Siedlung Kennicott gebaut, zu der Zeit die fortschrittlichste Siedlung in ganz Alaska! Es gab eine Schule, einen Sportplatz, ein Kino, einen Tanzraum und ein Krankenhaus, und eine Sondergenehmigung für Kinovorführungen von Stummfilmen, bevor sie in die Kinos kamen. Etwa 600 Menschen haben dort rund um die Uhr gearbeitet. Die ungelernten Arbeiter bekamen pro Stunde einen Dollar mehr als in Anchorage, aber ihre Arbeitsbedingungen waren unerträglich. Den Lärm der Fabrik konnte man noch 6 Meilen entfernt hören! Die Turnover-Rate der Arbeiter war 100% pro Jahr. Ein Arbeiter hat es im Durchschnitt 6 Monate ausgehalten.

Kennicott war trocken – kein Alkohol. Aber in McCarthy, der Geisterstadt gleich drei Meilen weiter, gab es alles, um Männerbedürfnisse zu befriedigen: Schnaps, Glücksspiel, und Frauen. Also sind die Arbeiter am Freitag mit dem frisch verdienten Geld losgefahren und in McCarthy hängengeblieben. Das Geld war schnell ausgegeben, und dann mußten sie wieder zurück in die Mine. Das perfekte Rückhalte-System. In den Familien ist nichts angekommen – wie im Ruhrgebiet bei den Kohlekumpels.

Wir haben die Aufarbeitung besucht und dabei den Weg eines Stücks Eisenerz vom Berg bis zum Transport nach Cordoba im Einzelnen verfolgt. Der Kupfergehalt im Gestein war mit 70% schon extrem hoch. Nach der mechanischen Aufarbeitung lag er bei 80%. Nun wurde eine chemische Aufarbeitung entwickelt. Dazu wurde ein Ingenieur aus Yale eingestellt, der im Labormaßstaß eine Ammoniumfällung entwickelt hatte. Sie wurde hier in Kennicott zum ersten Mal im technischen Maßstab ausgeführt und wird seitdem weltweit immer noch verwendet!

Die Mine war von 1911 bis 1938 in Betrieb. Geschlossen wurde sie, weil anderswo das Kupfer billiger gewonnen werden konnte. Das ganze Gelände wurde nach und nach vom amerikanischen Staat von den Besitzern (u.a. der Familie Guggenheim) zurückgekauft und stellt den Kern des Wrangell National Park dar.

7 Comments

  1. Manfred Weiß

    Also hier ist doch das Herz eines jeden Bergdirektors aufgegangen!! Das Notizbuch voll und ein sattes Revisionsschreiben – mindestens.
    Das Verbot für die dirt-road mit Motorhome ist somewhat justified. Meine Elektronik fürs innere Klima hatte sich aus Protest damals für eine feste Position entscchieden und diese bis zum Ende tapfer beibehalten trotz allem Zureden.
    Der Prortest war gegen meine Entscheidung gerichtet, mit 80 Sachen über die Steinspitzen zu brettern statt diese im Schritttempo alternativ zu umschmeicheln. Andere Lösungen machen nämlich keinen Sinn.
    Sogesehen bleibt oder blieb Jens keine Alternative. Die alternative Lösung greift eigentlich nur dann, wenn bei Motorschaden der Wagen geschoben werden muß.
    weiter tapfer

    Herrmannchen

    • irene

      Herrmannchen, entnehme daraus daß Du und Rosi auch in Kennicott wart? Übrigens hatte Jens gestern einen kleinen Unfall – er hat den Wagen auf dem Parkplatz stehen gelassen, und ein Ami hat die Gelegenheit ergriffen und ist beim Ausparken reingefahren. Delle auf der Fahrerseite, da wo die Schiebetür NICHT ist, also nicht tragisch. Ist schon mit der Vermieterin geklärt. Sonst derzeit keine weiteren Abenteuer 🙂

      • Manfred Weiß

        Hallo Irene,

        Missverständniss und unqualifizierte Anmerkung. Dirtroad hieß in den Rockies gravelroad. Jene bin ich alleine gefahren. Hat mit Eurer Wildnis nichts zu tun. Du mögest verzeihen.
        Herrmanchen

    • irene

      Herrmannchen, siehst Du eigentlich die Bilder am Ende von diesem Eintrag? Ich glaube man sieht sie nur wenn man schnelles Internet hat und ein bisschen wartet.

  2. Christof

    Hallo Irene,
    es macht wirklich viel Freude Deinen Blog zu verfolgen. Besonders zu Hause mit schnellem Internet, unterwegs mit Handy kommt die Diashow nicht wirklich an – tolle Fotos.
    Deinen Beschreibungen entnehme ich, dass Ihr mit besseren Autos unterwegs seid als die von Kenny Lake und Chitina.
    Habt weiter eine schöne ereignisreiche Zeit
    Liebe Grüße
    Christof

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